Mal ehrlich, bei Jobsharing denkt doch jeder erstmal an eine Bürokulisse und an ein Tandem in schicker Business Klamotte. Nix da! Heute bin ich für the jobsharing hub janz weit draußen in Brandenburg auf dem idyllischen Gelände des Therapiezentrums Sinalkol e.V.. Mich umgeben knapp hundert Hektar Acker, Beete, Wiesen und viele Tiere. Katja Holz und Melanie Bock halten das Ganze in Schuss. Die Besonderheit: die zwei Landwirtinnen arbeiten im Jobsharing! Inmitten der frischen Landluft habe ich mit den beiden über ihre Tandemarbeit gesprochen.
Wie kam euer Jobsharing zustande?
Katja: Ursprünglich war das gar nicht so geplant. Wir beide haben uns auf eine ausgeschriebene Vollzeitstelle beworben und in meinem Vorstellungsgespräch war von dem Modell erst noch gar nicht die Rede. Dann habe ich einen Anruf vom Chef bekommen mit der Frage: „Würden Sie sich die Stelle auch teilen?“ Er fand uns beide wohl sehr gut und ihm wurde auch klar, dass die Stelle für eine Person alleine auch einfach zu umfangreich und vielseitig war.
Und dann nahm alles seinen Lauf. Die beiden lernten sich auf einem gemeinsamen Schnuppertag kennen, mochten einander und fanden an der Idee Gefallen, sich eine Stelle zu teilen. Also sagten sie zu und starteten ihre gemeinsame Arbeit im Jobsharing. Seit 9 Monaten arbeiten sie nun gemeinsam im Tandem.
Wie teilt ihr euch die Arbeitszeit auf?
Melanie: Wir planen immer am Monatsanfang, wer an welchen Tagen freinimmt. So bleiben wir flexibel und können auch mal ein langes Wochenende mit 4 Tagen freinehmen. Anfang der Woche erstellen wir einen Wochenplan und besprechen, was zu tun ist.
Wie hat euer Arbeitsumfeld das Modell aufgenommen?
Katja: Die fanden es erst etwas seltsam. Das wir zu zweit da sind und dann zwei Mal pro Woche nur eine von uns. Wir teilen die Bewohner und die Mitarbeiter für die Arbeiten ein und sind ihre Ansprechpartnerinnen. Die kamen dann z.B. auf uns zu und fragten: „Wieso ist Melli heute nicht da?“ „Na weil sie heute ihren Tag frei hat“, war meine Antwort. Sie wollten anfangs gerne einen festen Ansprechpartner für feste Tage. Wir haben das aber besprochen und mittlerweile haben sich alle daran gewöhnt: es gibt eine feste Person für bestimmte Themen und wenn eine von uns nicht da ist, vertritt sie die andere. Ich bin z.B. mehr für den Tierbereich verantwortlich und Melli für den Pflanzenbereich. Das heißt für den Spargel geht´s zu Melli und für die Schweine zu mir!
Da müsst ihr ja guten Austausch miteinander stehen. Wie regelt ihr das?
Melanie: Wir schauen, dass wir nie unsere freien Tage hintereinander haben. Also erst die eine und dann die andere. Dann schreiben wir der anderen immer genau auf, was es für wichtige Dinge gab und was sie am nächsten Tag beachten muss. Oder wir telefonieren für eine Übergabe kurz miteinander. Das hat bis jetzt immer gut geklappt. Aber ein bisschen Luft nach oben gibt es noch, damit unsere Übergaben noch besser werden. Manchmal, wenn richtig viel los ist, stehe ich schon da und denke „da war doch noch was, was ich Katja dringend sagen wollte.“
Gibt es denn irgendein regelmäßiges Format bei euch, in dem ihr euch eben nicht über konkrete Aufgaben, sondern über eure Zusammenarbeit austauscht?
Katja: Hmm, im Moment noch nicht. Aber da steckt echt Potenzial drin! Dass wir uns gezielt die Zeit nehmen, um über sowas zu sprechen.
Der Beruf Landwirtin ist ja so ungefähr das Gegenteil eines Bürojobs, glaubt ihr, es gibt einen Unterschied zum Jobsharing im Büro und in der Landwirtschaft?
Katja: Ich glaube nicht. Du hast auch im Büro verschiedene Ansprechpartner und musst dich im Jobsharing sinnvoll aufteilen und gut organisieren.
Was sind für euch die größten Vorteile eurer Arbeit im Jobsharing?
Katja: Ich kann total viel von Melli lernen. Sie hat ja richtig viel Ahnung vom Pflanzenbereich und so lerne ich automatisch dazu.
Melanie: Das geht mir auch so! Man lernt total viel voneinander und kann sich immer austauschen. Wichtige Entscheidungen treffen wir viel besser zu zweit. Wir haben neulich 10 neue Kühe gekauft da ging es um sehr viel Geld. Zusammen sind wir zum Bauern gefahren und haben überlegt, welche Kuh zu uns am besten passt. Und mit der Entscheidung sind wir immer noch sehr zufrieden, jetzt haben wir 10 tolle Kühe!
Katja: Und der freie Tag! Ich bin viel erholter und entspannter und habe mehr Energie auf der Arbeit. Und neulich haben wir den Anhängerführerschein an unserem freien Tag gemacht. Das hätte sonst alles nach Feierabend passieren müssen. Ich habe einen langen Anfahrtsweg zur Arbeit und weiß nicht, ob ich das dann geschafft hätte.
Melanie: Ganz klar, die Belastung auf der Stelle alleine wäre einfach zu hoch. Eine Idee davon bekomme ich, wenn ich den einen Tag alleine hier bin. So ist es viel besser.
Also ihr lernt umsonst und automatisch voneinander und habt Zeit, euch in der freien Zeit zu erholen und weiterzubilden. Plus: zusammen trefft ihr wichtige Entscheidungen besser. Das klingt großartig! Und was ist, wenn eine von euch krank ist oder Urlaub hat?
Melanie: Wenn eine von uns im Urlaub ist, ist die andere an 5 Tagen da, aber eben kürzer, sodass wir mit den 32 Stunden hinkommen. Und bei Krankheit? Bis jetzt war noch gar keine von uns krank. Aber wenn würde die andere natürlich einspringen und das Wichtigste erledigen.
Und so ist eure Stelle sogar bei Urlaub und Krankheit immer abgedeckt?
Melanie nickt: Deshalb ist Jobsharing in der Landwirtschaft ja so super: Da liegt ja immer was an. Die Schweine werden verladen, das Gras wird runtergeholt, jetzt muss der Spargel gestochen werden und die Erdbeeren geerntet. Jeden Tag muss was passieren, nix kann warten. Wenn da kein Ansprechpartner da ist, ist das fatal.
Ein riesiger Vorteil also für euern Arbeitgeber. Wenn alles brach liegt bedeutet das ja sonst wirtschaftlichen Schaden. Bei nur einer Person auf der Stelle wäre dieses Risiko also deutlich höher. Habt ihr einen Tipp an Jobsharer, oder welche, die es werden wollen?
Katja: Vor allem offen sein und miteinander kommunizieren.
Melanie: Genau, auch wenn einem was nicht gefällt. Einfach aussprechen, bevor es sich anstaut und dann an anderer Stelle explodiert.
Katja ergänzt: Als Egotyp, dem sein persönlicher Erfolg am wichtigsten ist, macht das keinen Sinn. Also das Sensible und den Teamgeist muss man schon mitbringen. Und eben die Rollen gut verteilen.
Also ist nicht jeder der Typ für Jobsharing, ein wichtiger Punkt für Unternehmen, die Stellen im Jobsharing besetzen wollen. Eine abschließende Frage habe ich noch. Was mögt ihr am anderen am meisten?
Katja: Ich finde es super, dass Melli so viel über die Ackerflächen weiß.
Melanie: Während ich eher der ruhige Typ bin, ist Katja ist viel kommunikativer als ich. Das schätze ich sehr an ihr.
Vielen Dank für das Interview ihr beiden!
Und dann drehen wir noch eine ausgedehnte Runde über das Gelände, vorbei an großen Heuballen, den Gänsen, hin zu den zwei Säuen mit ihren kleinen Ferkeln. Melanie und Katja erklären mir alles und wirken dabei total eingespielt und entspannt. Ganz ehrlich? In diesem Moment würde ich meinen Berliner Co-Workingspace sofort gegen Melanies und Katjas Arbeitsplatz eintauschen. Oink Oink.
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