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Ich hab zwei Vorgesetzte! Jobsharing aus Sicht der Mitarbeitenden.

Aktualisiert: 21. Mai 2022




Svenja: Liebe Sarah, du hast ja eine Arbeit geschrieben zum Thema „Geführte unter Topsharing-Tandems“. Du hast also nicht die Tandems untersucht, sondern die Teams der Jobsharer. Warum hast du dich dafür entschieden?

Sarah: Grundsätzlich fand ich das Thema „New Work“ sehr spannend. Und da bin ich durch Zufall auf das Thema „Jobsharing“ gestoßen und fand das total interessant. Als ich dich dazu angeschrieben habe, hast du mir den Tipp gegeben, mir doch mal die Teams der Topsharer genauer anzuschauen, denn dazu gab es bislang keine Arbeiten. Somit gab es da noch eine große Forschungslücke zu schliessen. Ich denke auch für die Mitarbeitenden, wird es immer wichtiger und relevanter, zu sehen: funktioniert das überhaupt mit einem Tandem als Vorgesetzte?


Svenja: Okay, sehr spannend. Dann gucken wir doch mal in deine Studie rein. Was waren denn für dich die wichtigsten Erkenntnisse?

Sarah: Grundsätzlich kann man sagen, dass kein Topsharing gleich ist wie das andere. Das heißt, einerseits gibt es sehr große Unterschiede, allein wenn man die Entstehungsgeschichte der Tandems anschaut. Einige sind zum Beispiel nur über eine gewisse Zeit in einem Tandem organisiert und andere sind es langfristig. Es gibt Mitarbeitende, die sind direkt unter einem Tandem angestellt worden. Wieder andere Mitarbeitende waren schon in Unternehmen und dann erst wurde das Tandem gegründet. Das heißt, das sind schon Faktoren, die sich über die vier geführten Interviews sehr stark unterschieden haben, beispielsweise auch die Pensa. Ein Tandem hatte 100 Prozent und 90 Prozent, also insgesamt 190 Prozent und andere hatten 60 Prozent und 60 Prozent, was dann auch ausschlaggebend ist für die Mitarbeitenden. Ein weiteres Beispiel ist der Autonomiegrad, die Art, wie eigenständig die Mitarbeitenden ihre Arbeit organisieren können. Andererseits sind zum Beispiel die Faktoren für die Arbeitszufriedenheit recht ähnlich gegenüber einer einzelnen Führungskraft. Dazu zählen zum Beispiel eine gute Kommunikation oder die Unterstützung der Vorgesetzten. Für mich heißt das eigentlich, dass im Vergleich zu einer guten Einzelführung sich bei einem Topsharing nicht so viel ändert. Es ist eher wichtig, dass die Mitarbeitenden mit dem Charakter, den Persönlichkeitseigenschaften und dem Führungsstil der Mitarbeitenden klarkommen. Dabei ist weniger relevant, ob es nun einen oder zwei Vorgesetzte gibt.


Svenja: Ok, die Kriterien für Arbeitszufriedenheit haben sich im Vergleich zu Teams, die von Einzelpersonen geführt werden nicht unterschieden. Und wie zufrieden waren deine befragten Mitarbeitenden von Tandems? Gab es Dinge, die Mitarbeitende von Tandems als sehr positiv erlebt haben?

Sarah: Ja, ein Beispiel war bei einem Unternehmen, indem der Mitarbeitende ganz verschiedene Konstellationen erlebt hat. Seine Vorgesetzte startete ein Tandem auf Zeit mit seinem Teamkollegen, der damit zum Chef wurde. Nach einiger Zeit verlässt sie die Position und der Teamkollege führte alleine weiter.


Svenja: Also ein Junior-Senior Nachfolgetandem…

Sarah: Ja, genau . Der Interviewpartner war sehr zufrieden mit dem Modell seiner Vorgesetzten . Der Lerneffekt durch das Tandem war für den ehemaligen Teamkollegen recht groß, da dieser bis dahin noch kaum Führungserfahrung hatte. Er meinte, dass sein Teamkollege gar nicht so eine gute Führung an den Tag hätte legen können, hätte er nicht die Erfahrungen im Topsharing gemacht.

Svenja: Ein schönes Beispiel. Gab es denn auch Dinge die kritisch gesehen wurden?

Sarah: Im Großen und Ganzen habe ich gesehen, dass die Mitarbeitenden sehr zufrieden sind mit dem Modell. Aber klar gibt es einzelne Punkte, bei denen die Interviewpartner:innen anmerkten, dass man einige Aspekte noch verbessern könnte oder sie noch Änderungswünsche hätten. Der wohl wichtigste und gleichzeitig kritischste Aspekt ist die Zugänglichkeit. Die Interviews haben gezeigt, dass die Abstimmungszeiten des Tandems als verringerte Zugänglichkeit wahrgenommen werden. Was wiederum zu Unzufriedenheiten führt, speziell bei Mitarbeitenden, die nicht so autonom arbeiten und dadurch noch viel Abstimmungszeit benötigen.


Svenja: Die gemeinsame Tandemzeit steht also in Konkurrenz zur eigenen Zeit mit den Vorgesetzten?

Sarah: Ja, genau. Allerdings sind aus meiner Sicht die Erwartungen an Tandems auch eher höher. Also ich denke, wenn man einen Vorgesetzten hat, dann ist es normal, dass der mal in Sitzungen ist oder abwesend ist oder was auch immer. Ich hatte in den Interviews den Eindruck, dass man bei einem Tandem als Vorgesetzte immer das Gefühl hat, dass jemand anwesend sein muss. Wenn beide zum Beispiel in einer Sitzung sind, dann ist ein relativ großes Unverständnis ersichtlich.


Svenja: Ja das ist ein interessanter Punkt, der mir auch immer wieder in unserer Arbeit begegnet. Das Umfeld, auch oft Vorgesetzte des Tandems, sehen zwei Köpfe und nicht eine Rolle. Nach dem Bauchgefühl sollte dann doch auch doppelt so viel Kapazitäten möglich sein. Stimmt natürlich nicht, wenn die Gesamtarbeitszeit grob auf Vollzeit ausgerichtet ist. Daher leiden Tandems oft auch unter einer besonders hohem Workload. Und gerade bei


Pioniertandems kommt meistens der Selbstanspruch dazu, diesen Performance- Erwartungen auch zu entsprechen, damit es am Ende nicht heißt „Experiment gescheitert“. Der hohe Workload treibt tolle Jobsharer:innen dann oft in den Jobsplit und all die schönen „Shareeffekte“ verpuffen. Nichts desto trotz, sollten professionelle Tandems tatsächlich auf Effizienzen und Verfügbarkeiten achten und z.B. nicht ständig zu zweit in jeden Termin gehen oder in einer Dauer-Sparring-Blase verschwinden. Das ist dann tatsächlich schwierig, da ist die richtige Balance entscheidend. Wie sah das denn bei dem Tandem aus, bei dem quasi fast Vollzeit gearbeitet haben, wie war da die Wahrnehmung?

Sarah: Da war es wieder völlig anders. Da waren zwei Männer, die zusammen 190 Prozent gearbeitet haben und die Zugänglichkeit überhaupt kein Problem war. Und da hat der Mitarbeitende eine starke Verbesserung im Vergleich zur Einzelfigur vor dem Tandem wahrgenommen. Vorher bestand das Problem, dass der mit 100 Prozent seine Stelle viel zu groß und umfangreich war. Und der Vorgesetzte war eigentlich nur mit der Mitarbeiterführung beschäftigt und hatte gar keine Zeit für die inhaltlichen Themen. Nun mit den 190 Prozent ist es für die Vorgesetzten möglich, auch noch inhaltlich dranzubleiben, die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Und das wurde sehr geschätzt von den Mitarbeitenden. Beide waren auch noch nicht so erfahrene Führungskräfte und dann haben sie sich zusammen entschieden die Erfahrung gemeinsam zu sammeln, um sich gegenseitig austauschen zu können und so diese Verantwortung zu teilen.


Svenja: Also ein doppelter Effekt. Mehr Nähe zum operativen Tagesgeschäft und ein sicheres Aufsatteln in der Führungsrolle durch den Start zu zweit. Zwei abschließende Fragen hätte ich noch. Was würdest du denn Mitarbeitenden sagen, die gerade jetzt erfahren haben, dass sie ein Tandem als Vorgesetzte bekommen?

Sarah: Einfach mal offen zu sein. Denn man hat es auch in meinen Interviews ein bisschen gemerkt, einige waren zum Teil am Anfang ein wenig vorsichtig und hatten auch Vorurteile gegenüber dem Modell, weil sie nicht so recht wussten, was auf sie zukommt. Aber schlussendlich haben alle im Nachhinein gesagt, es hat sich eigentlich gar nicht groß etwas verändert. Und ich denke, es kann auch eine Chance sein, weil man von zwei Personen unterstützt wird. Und auch das Fachwissen der beiden Vorgesetzten ist zusätzlich noch größer, statt wenn man nur eine Person hat.


Svenja: Und aus der anderen Perspektive, Was würdest du einem startenden Tandem mit Blick auf ihr Team raten?

Sarah: Ganz wichtig ist die Kommunikation: einerseits muss die Kommunikation mit dem/ der Topsharing-Partner:in funktionieren. Wenn beide in unterschiedliche Richtung sehen und andere Visionen und Vorstellungen haben, kann es von Anfang an nicht funktionieren. Aber andererseits ist auch die Kommunikation zwischen dem Tandem und den Teammitgliedern unerlässlich. Ich denke, wichtiger ist, dass man am Anfang die Erwartungen und Vorstellungen und auch ein stückweit die Ängste der Mitarbeitenden abholt und diese auch ernst nimmt. Und was sicherlich hilft, ist am Anfang auch eine Art Workshop zu machen. Vielleicht auch mit viel Unterstützung von außen, von Fachleuten, die Erfahrung haben mit dem ganzen Thema und dann halt Schritt für Schritt sich überlegt: Was wollen wir? Was brauchen wir? Wie bauen wir unser Tandem auf? Wie kommunizieren wir zusammen? Dass man sich wirklich jederzeit auch für die Planung des Tandems Zeit nimmt und sich nicht Hals über Kopf einfach in etwas reinstürzt.


Svenja: Das sind doch sehr konkrete Tipps, die du hast. Vielen lieben Dank für das Interview und deine Studie!

Und hier gibt´s Sarahs Studie als Download: Masterarbeit_Topsharing_Mulle_Sarah


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