Letztes Jahr, als ich noch bei Coca-Cola im Tandem arbeitete, nahm ich an einer spannenden Jobsharing Studie teil. Die interessanten und durchaus kritischen Fragen der Studie machten mich neugierig. Also schrieb ich sofort der Masterandin und blieb seitdem mit ihr in Kontakt. Inken Tönnies ist eine fröhliche, interessierte und kompetente junge Frau, mit der man sich prima konspirativ auszutauschen kann. Damals war sie Studentin der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Mittlerweile hat sie ihr Studium abgeschlossen und arbeitet als Junior Personalberaterin. In ihrer Studie hat sie zwei verschiedenen Zielgruppen die gleichen Fragen zu Vor- und Nachteilen von Jobsharing gestellt: In der einen Gruppe befanden sich praktizierende Jobsharer sowie ihr Umfeld (leitende Angestellte und Personaler), in der anderen Gruppe waren Personaler und leitende Angestellte, die bislang keine Berührung mit dem Jobsharing Modell hatten. Die Ergebnisse Ihrer Studie decken spannende Unterschiede zwischen den Jobsharing-Erfahrenen und Jobsharing-Unerfahrenen auf.
Hallo Inken, schön, dass du dir die Zeit nimmst! Mit deiner Studie bist du tief in die Materie Jobsharing eingetaucht. Was ist für dich die wichtigste Erkenntnis deiner Studie?
Jobsharing kann nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen. Nicht nur das Tandem, sondern die Akteure drum herum auch. Dem Tandem sollte Vertrauen entgegengebracht werden und bestenfalls sollte es einen Treiber geben, der das Modell pusht. Am allerbesten die Unternehmensführung selbst, die ihr Vertrauen ausspricht und die Mehrwerte für das Unternehmen klar benennt, z.B. tolle Talente zu binden. Meine Generation hat keine Lust mehr auf Ellenbogengesellschaft, sondern hat schon in der Unizeit gelernt, dass man gemeinsam viel schneller seine Ziele erreicht. Daher passt das Modell so gut zum Zeitgeist.
Neben dem Thema Talentbindung ist laut deiner Studie auch Wissenssicherung einer der Top 3 Gründe für Jobsharing. Warum zahlt Jobsharing hierauf ein?
Wissen darf man nicht verloren gehen lassen. Durch Jobsharing ermöglicht man senioren Mitarbeitern einen weichen Renteneintritt. Auch in meinem privaten Umfeld erlebe ich, wie hart dieser plötzliche Schritt sein kann. Das Wissen des ausscheidenden Mitarbeiters wird im Jobsharing an den Nachfolger übergeben. Gleichzeitig wird der Nachfolger nicht einfach ins kalte Wasser geschmissen. Das ist zusätzlich auch ein tolles Zeichen der Wertschätzung an beide Teile des Tandems. Und, ganz nebenbei, hat das Ganze einen tollen Employer Branding Effekt. Das Unternehmen gewinnt auf voller Linie!
Also ein hoher Return of Investment für das Unternehmen. Und deine Studie zeigt ganz klar: sowohl die Jobsharing-Erfahrenen als auch die Jobsharing-Unerfahrenen sind sich mit einer Zustimmung von über 90% sicher, dass Führungskräfte das Modell wollen. Dennoch wird es bislang nur sehr punktuell und zögerlich eingesetzt, woran liegt das?
Es ist wie mit Modetrends. Man muss es öfter sehen, um ein echtes intrinsisches Interesse zu entwickeln. Hier beißt sich bislang die Katze noch in den Schwanz. Interessierten Mitarbeitern, die gerne im Jobsharing arbeiten wollen, wird der Ball oft zurückgespielt. Sie sollen Best Practices liefern. Davon gibt es zwar einige, diese sind aber noch ziemlich versteckt, das wurde bei meiner Recherche sehr deutlich. Es fehlt der Einblick in konkrete Umsetzungsbeispiele. Und so bleibt der Ball vor dem Mitarbeiter liegen.
Auf den ersten Blick paradox, wenn man bedenkt, dass laut deiner Studie 86% der Personaler und leitenden Angestellten das Modell kennen, es aber nur in 21% der Fälle angeboten wird. Gehört haben also die meisten davon. Fehlt es seitens der Unternehmen einfach schlichtweg an tieferem Wissen?
Absolut, und es fängt schon einen Schritt vorher an. Zuerst muss einmal Überzeugung für das Modell zu gewonnen werden. Das ist eine Frage der Unternehmenskultur. Die Unternehmenskultur wurde als zweitgrößte Hürde von den Jobsharing-Unerfahrenen genannt. Doch ist diese Hürde genommen, wartet die Nächste: eine Unternehmensstruktur, die noch nicht auf Jobsharing ausgerichtet ist. Aus Sicht der Unerfahrenen ist das die Top 1 Hürde für die Umsetzung von Jobsharing. Das sind klassische Umsetzungsthemen, wie z.B.: benötigt das Tandem zwei Arbeitsplätze, wie setze ich Verträge auf, was passiert, wenn einer geht usw.? Und genau hier fehlt das Fachwissen. Gleichzeitig braucht es immer konstantes Vertrauen in das Tandem, dass es dann auch wirklich gut funktioniert. Deshalb sollte man das erste Tandem als Piloten betrachten, an dem man lernen kann und in dem auch Fehler erlaubt sind. Das Problem ist allerdings, dass aktuell jedes Unternehmen isoliert das Rad immer wieder neu erfinden muss. Eigentlich bestehen ja schon einige Pilottandems. Auf dem Markt gibt es nur leider bislang kein gebündeltes Wissen zum Thema Jobsharing und den damit einhergehenden strukturellen Umstellungen. Das ist aus meiner Sicht der Knackpunkt.
Jobsharing-Erfahrene schätzen in deiner Studie das Modell als sehr unproblematisch ein und sind überzeugt davon. Jobsharing-Unerfahrene hegen deutlich mehr Bedenken. Woran liegt das?
Bei uns im Plattdeutschen gibt es ein Sprichwort: Wat de Buur nich kennt, dat frett he nich! (lacht). Die Studie zeigt ganz klar: die Leute, die es umsetzen, finden es super und die, die es nicht tun, sind skeptischer. Ich befürchte, das ist einfach auch ein klein wenig die deutsche Mentalität. Andere Länder stehen diesem oder anderen Flexibilisierungsmodellen viel offener gegenüber. Und es kommt drauf an, wer ganz oben sitzt und aus welchem Stall der kommt (schmunzelt)!
Oha! Aber das zeigt ja vor allem, dass es sich lohnt, Jobsharing weiter nach vorne zu bringen. Was können denn Arbeitnehmer tun, wenn sie gerne in dem Modell arbeiten möchten?
Das klar und offen ansprechen. Wenn man es nicht selbst macht, macht es keiner für einen. Das Wichtigste dabei ist, den Mehrwert für das Unternehmen klar zu benennen anstatt nur den eigenen. Also zum Beispiel ‚Hey, Ihr habt hier durch die Doppelbesetzung einen permanenten Ansprechpartner.‘ Oder: ‚Jobsharing zahlt ganz klar auf das Thema Frauen in Führungspositionen ein und wappnet für die Zukunft.‘ Also sowohl die operativen als auch die strategischen Mehrwerte rausarbeiten.
Denkst du jede Führungskraft kann im Topsharing arbeiten?
Nein, das kommt auf den Typ an. Es gibt gewisse Eigenschaften, die man dafür haben muss. Teamfähigkeit und eben richtig Bock auf das Modell! Man muss gerne gemeinsame Absprachen treffen und auch kein Problem damit haben, Dinge aus der Hand zu geben.
Kannst du dir vorstellen selbst mal im Jobsharing zu arbeiten?
Auf jeden Fall! Ich bin über das Thema Frauen in Führungspositionen überhaupt erst auf das Jobsharing Modell gestoßen. Und hab mir gleich gedacht: Ja! Genau so möchte ich das machen. Ich möchte einmal Kinder bekommen und auch gerne für sie da sein. Aber ich möchte genauso meine beruflichen Interessen verfolgen, ich habe schließlich nicht umsonst studiert! Und ich möchte auch irgendwann in eine Führungsposition, wenn ich dafür bereit bin. Und im Jobsharing kann ich beide Aspekte zusammenbringen. Ich finde das Modell super. Aber (überlegt)…nein, kein aber!
Liebe Inken, Dankeschön für das tolle Interview!
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