Keine Sorge: wir bleiben unserem „no blabla“ Anspruch treu. Trotzdem haben wir uns ein echtes Hype-Thema ausgesucht, das aber immerhin schon einen Wikipedia-Eintrag hat: „Ein digitaler Nomade (…) ist ein Unternehmer oder auch Arbeitnehmer, der fast ausschließlich digitale Technologien anwendet, um seine Arbeit zu verrichten und zugleich ein eher ortsunabhängiges beziehungsweise multilokales Leben führt.“
Digitales Nomadentum: ein Selbstversuch
Für uns ist das Konzept durch Eva und ihr Blog „auf der Sonnenseite“ so richtig griffig geworden: sie beschreibt darin sehr anschaulich, wie die Arbeit als Angestellte losgelöst vom festen Arbeitsplatz funktionieren kann. Und wie sie gleichzeitig im Jobsharing arbeitet – womit sie quasi im Vorbeigehen Jobsharing auf ein neues Level gehoben hat. Fanden wir klasse, und schnell war klar: erstens wollen wir mehr darüber erfahren und zweitens selber experimentieren.
Bevor gleich Eva zu Wort kommt daher noch ein kurzer Eindruck: im Januar 2018 haben wir unser Büro für einen Monat nach Thailand verlegt. Uns war von vornherein klar, dass wir unser normales Arbeitspensum nicht würden halten können – es war auch nicht der Anspruch. Stattdessen war die Hypothese unseres Selbstexperiments: auch als Unternehmer, oder Selbstständiger, müsste eine längere Urlaubs-Abwesenheit möglich sein, wenn man vorher Arbeitspakete so schnürt, dass sie sich gut unabhängig vom Standort abarbeiten lassen. Da viele unserer Kunden im Januar mit der Jahresplanung beschäftigt sind, fiel die Wahl auf diesen Monat. Inspiriert von Evas Blog haben wir also die Weichen gestellt. Jetzt, kurz nach der Rückkehr, ziehen wir grundsätzlich eine positive Bilanz: wir haben mehrere Angebote und Beratungs-Konzepte fertiggestellt, ein Seminar vorbereitet, einen Fachartikel geschrieben und eine Workshop-Reihe mit unserem Projektpartner Impact Hub initiiert. Insgesamt haben wir ca. 30-40% unseres üblichen Arbeitspensums geleistet. Technische Vorbereitung hat uns ebenso genutzt wie die gut mit Deutschland kompatible Zeitzone von Thailand. Insgesamt konnten wir eine Abwesenheit von einem Monat somit als auch junge Beratung stemmen.
Unser Beach-Bureau auf Ko Lanta
Nun aber zu Eva, für die digitales Nomadentum zum Alltag geworden ist:
Du hast ja ordentlich Anlauf genommen – und auch langen Atem bewiesen – als Du dein individuelles Jobsharing-Modell eingeführt hast. Kannst Du einmal beschreiben, wie das abgelaufen ist?
Zum Jobsharing kam es eher durch Zufall. Zuerst war der Wunsch da, ein Jahr auf Teneriffa leben und weiterhin fest angestellt in Teilzeit arbeiten zu können. Denn als Social Media Koordinatorin erledigte ich die meisten meiner Aufgaben digital – wieso also nicht den Ort für eine gewisse Zeit selbst bestimmen? Mit viel Vorlauf, etwa sechs Monate bevor ich tatsächlich nach Teneriffa zog, offenbarte ich meinem Chef diesen Wunsch. Da mir mein Job Spaß macht, wollte ich alles daransetzen, die Festanstellung mit dem Abenteuer Teneriffa zu kombinieren. Es war nicht ganz einfach meinen Vorgesetzten von der Idee zu überzeugen. Zu Beginn hatte er einige Bedenken. Wie können meine Aufgaben, wie das Abhalten von Workshops und die Teilnahme an internen Meetings, funktionieren, wenn ich nicht vor Ort bin? An diesem Punkt kam das Jobsharing ins Spiel. Ich schlug vor, dass ich mir meine Position mit einer geeigneten Person teilen könnte. Mein Chef fand die Idee grundsätzlich gut und ich konnte glücklicherweise intern eine Mitarbeiterin finden, die geeignet war. Nach weiteren Verhandlungen mit dem Personal-Bereich bis hin zum CEO erhielt ich tatsächlich die Zusage.
Sehr stark! Du betonst die digitale Komponente deiner Arbeit. Kannst Du mal beschreiben welche Argumente speziell bei deiner Stelle, und welche allgemein am überzeugendsten waren?
Gute Vorbereitung war das A und O. Für das erste Gespräch mit meinem Chef hatte ich ein Konzept ausgearbeitet, worin es vor allem um meine Aufgaben, die Tools und organisatorische Fragen ging. Vor allem die Aufgabenpakete und die vielen browserbasierten Tools, mit denen ich arbeitete, überzeugten meinen Chef. Für viele Dinge muss ich einfach nicht vor Ort präsent sein. Aber eben für manche schon, daher die Idee einer Tandempartnerin: sie würde die tägliche Ansprechpartnerin im Büro sein. Zudem versuchte ich, alle möglichen Fragen abzudecken, die unsere Zusammenarbeit betrafen. Da ging es um die Kommunikation, Verantwortungsbereiche und Verbindlichkeiten. Ich sicherte beispielsweise auch zu, etwa einmal pro Quartal für ein paar Tage vor Ort zu arbeiten. Denn der persönliche Austausch ist eben schon wichtig.
Absolut. Du hast ja inzwischen in 2 verschiedenen Tandem-Konstellationen gearbeitet. Dabei warst Du immer diejenige, die nicht vor Ort anwesend war. Was war für deine Tandem-Partnerinnen die Motivation?
Für meine erste Tandem-Partnerin war sicherlich die spannende Stelle die Motivation. Als Mutter wollte sie nur in Teilzeit arbeiten, ohne sich zu langweilen. Daher haben wir uns gut ergänzt. Zum zweiten Jobsharing ist es eher durch Zufall gekommen, denn meine erste Tandem-Partnerin wurde schwanger und ist nun im Mutterschutz. Hier zeigt sich ein starker Vorteil von Jobsharing: da ich weiterhin im Unternehmen bin, haben wir keinen Wissensverlust und es musste keine Vertretung gesucht werden. Denn ich habe meine Stunden einfach etwas aufgestockt und meine Aufgaben mit einer Kollegin aus meinem Bereich aufgeteilt.
Der Vorteil ist offensichtlich. Und inwiefern hat die Stelle von der doppelten Besetzung profitiert? Viele denken ja, durch Jobsharing werde eher Komplexität auf- als abgebaut….
Eine klare Aufgabenaufteilung und Absprache ist hier sicherlich mit das Wichtigste. Wir verteilen das selbstständig und je nach unseren Stärken. An manchen, meist strategischen Dingen arbeiten wir zusammen. Zwei Köpfe beleuchten die Sachlage natürlich vielseitiger als einer. Außerdem wird man durch die begrenzte Zeit und den klar definierten Aufgaben eindeutig noch produktiver. Ich arbeite viel stärker ergebnisorientiert.
Wenn Du so eine typische Woche anguckst, was sind dann die wichtigsten Stationen der Arbeit im Tandem, und was die wichtigsten Hilfsmittel (technische und praktische)?
Wenn ich morgens in den Arbeitstag starte, öffne ich als erstes das Chat-Fenster, da benutzen wir Rocket. Ist open source, damit haben sich zuvor vor allem die Entwickler in unserer Firmer ausgetauscht. Aber auch für meine Tandem-Partnerin und mich ist das ein schneller, praktischer Kommunikationsweg. Außerdem haben wir einmal pro Woche einen festen Webkonferenztermin, via Webex. Bei dringenden Themen rufen wir uns natürlich auch zwischendurch an. Die klassische E-Mail nutzen wir natürlich auch viel. Und ein Ticket-System namens Jira nutze ich auch, vor allem als Workflow-Tool mit anderen Abteilungen, das kommt aus dem Umfeld agiler Softwareentwicklung. Genauso wie Confluence, mit dem wir gemeinsam Content – und, ergo, Wissen – teilen. Alle Dateien liegen bei uns auf Firmen-Servern. Per VPN-Verbindung kann ich von Teneriffa aus auf das Firmenlaufwerk zugreifen. Das funktioniert dank der schnellen Internetverbindung auf der Insel problemlos. Und ab und zu bin ich eben auch vor Ort. Wichtige Workshops und Meetings versuchen wir dann in die Zeiträume zu legen, wenn ich in Deutschland bin.
Als wäre „auswandern“ nicht Grund genug hast Du ja auch andere Ideen, was Du über deine normale Arbeit hinaus gerne machen möchtest und wofür Du Zeit brauchst. Erzähl mal!
Der Umzug nach Teneriffa war für mich auch die Umstellung vom Vollzeit- auf einen Teilzeit-Job. Denn ich wollte mir endlich mehr Zeit für meine privaten Ziele nehmen. Lange hegte ich den Wunsch, mich ehrenamtlich zu engagieren, was ich in Deutschland immer vertagt habe. Hier bin ich endlich aktiv. In zwei Organisationen engagiere ich mich im Naturschutz und unterstütze bei sozialen Projekten. Außerdem steht täglich Spanisch lernen auf meinem Plan. Und ich verbringe viel Zeit in der Natur: Wandern, Kitesurfen und Klettern kann ich hier das ganze Jahr über. Das bereichert meine Lebensqualität ungemein.
Das klingt toll! Du hast Jobsharing ja aus eigenem Antrieb weiterentwickelt – was war zuerst da: die Idee, auszuwandern oder sich die Arbeit zu teilen?
Der Wunsch auszuwandern, oder für eine Zeit lang im Ausland, am Meer, im Warmen zu leben, war zuerst da. Doch für mich stand fest, dass ich dafür meine Arbeitszeit reduzieren möchte, um mich mehr dem Abenteuer zu widmen. Außerdem glaube ich, dass es schwierig ist in Vollzeit aus dem Ausland zu arbeiten. Die notwendige Präsenz und der enge Austausch waren dann die Initialzündung, um mich mit Jobsharing zu beschäftigen.
Kannst Du, trotz der räumlichen Distanz, erkennen, dass sich durch Eure Arbeit etwas in deinem Arbeitsumfeld verändert?
Ein sehr schönes Resultat ist, dass die Arbeit aus der Ferne funktioniert. Klar: man muss gewisse Spielregeln befolgen. Sehr großen Wert lege ich zum Beispiel auf Verlässlichkeit. Ich habe feste Arbeitstage und daran ist nichts zu rütteln – auch wenn ich Besuch habe oder der Tag perfekt zum Kitesurfen wäre. Ich schätze die Flexibilität, die mir das Unternehmen aktuell gibt, sehr. Im Gegenzug will ich gute Arbeit leisten. Ich habe aber auch festgestellt, dass die räumliche Entfernung natürlich spürbar ist: bestimmte Dinge bekomm ich nicht hautnah mit. Die Mittagspausen teile ich nicht mehr mit meinen Kollegen. Dafür erlebe ich die Zeit, wenn ich wieder ein paar Tage im Kölner Büro arbeite, als besonders intensiv.
Wir haben ja zum ersten Mal mit Dir gesprochen als unsere Idee konkret wurde, selber mal für ein paar Wochen aus der Ferne zu arbeiten. Und waren dann natürlich erst recht motiviert. Passiert das eigentlich jetzt öfters in deinem persönlichen Umfeld, das Leute sagen: „Sowas muss ich auch mal probieren?“ Oder im Gespräch so einen träumerischen Blick kriegen….?
Überraschenderweise nicht. Ich hätte auch gedacht, dass viel mehr Menschen inspiriert werden, selbst aus der Job-Routine auszubrechen und ein solches Experiment zu wagen. Ich erinnere mich, dass es im Kollegen- wie im Freundeskreis kaum jemand für möglich gehalten hat, dass mir die Firma diese Freiheit gibt. Jetzt erhalte ich viel Zuspruch. Aber dass die Menschen in meinem Umfeld es selbst tun, ist eher weniger der Fall. Es ist natürlich auch nicht für jeden etwas. Aber wer diese Stimme in sich hört, sollte es unbedingt probieren! Für mich war es eine der besten Entscheidungen meines Lebens, den Mut aufgebracht und für diesen Wunsch nach anderer Arbeit gekämpft zu haben.
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