Svenja: Ihr zwei besetzt als Tandem seit mittlerweile über eineinhalb Jahren die Leitung des HR Managements des Regionalbereiches Ost bei der DB Netz AG. Was waren eure Beweggründe für diesen Schritt?
Catherine-Marie Koffnit: Das waren sehr persönliche Beweggründe. Entstanden ist die Idee Ende des Jahres 2016. Wir haben das Jahr Revue passieren lassen und feststellen müssen, wie viele gesundheitliche Einschläge es gab. Führungskräfte die aus unterschiedlichsten Gründen ausgefallen sind . Und dann stellt man sich irgendwann die Frage, was es im Leben eigentlich noch gibt und was aufgrund des hohen Arbeitspensums eigentlich alles auf der Strecke bleibt. Und an einem Abend kam dann die Idee und wir sagten uns: „Mensch, in Teilzeit zu arbeiten wäre was Tolles!“ Aber wir waren da auch realistisch genug zu wissen, dass eine Führungsposition in unserer Ebene in Teilzeit nicht möglich ist. Im weiteren Verlauf des Gesprächs kamen wir auf die Idee zu sagen, dass es ein Weg sein KÖNNTE, wenn man sich den Job teilt; eine Führungsposition mit zwei Teilzeitkräften besetzt.
Carola Garbe: Und dann haben wir recherchiert und andere Jobsharing-Paare in ganz Deutschland interviewt. Und wir haben uns über die Finanzierung unterhalten. Das musste klar sein zwischen uns.
Svenja: Und diese Idee habt ihr ja offensichtlich auch in die Tat umgesetzt. Wie funktioniert denn euer Ablauf. Wie sieht eine klassische Übergabe bei euch aus?
Carola Garbe: Wir haben drei Varianten der klassischen Übergabe. Jeden Abend machen wir eine Kurzzusammenfassung – unsere „Tagesschau“, die wir uns zuschicken. Dabei geht es hauptsächlich um zwischenmenschliche Aspekte, um Zwischentöne. Zweitens haben wir einen gemeinsamen Terminkalender und Mailaccount. So kann jede sehen, was rein und raus geht, um den fachlichen Teil abzudecken. Als Drittes nutzen wir eine Projektmanagement-App für die internen Übergaben und montags treffen wir uns zum Kaffee und machen ganz speziell Übergabe in unserem Projekttool.
Catherine-Marie Koffnit: Ergänzend muss man sagen, dass der Montag als Gesamtübergabetag sehr durchstrukturiert ist. Da haben wir beispielsweise Regeltermine mit unseren wichtigsten Direct Reports, die wir dann gemeinsam wahrnehmen. Als kleines Stück Privatvergnügen gehen wir zum Feierabend gemeinsam etwas Essen und Trinken. Der Montag gehört also komplett uns beiden und das hilft uns immens. Abends geht dann immer eine nach Hause und kommt erst die Woche darauf wieder.
Svenja: Und wie verbringt ihr eure freien Wochen?
Carola Garbe: Ich beschäftige mich in meiner freien Zeit mit Transkooption, also dem Wechsel von Wettbewerbs- zu Kooperationskultur. Ich habe in diesem Bereich nochmal eine Ausbildung gemacht. Außerdem widme ich viel Zeit meiner Familie und dem Netzwerken.
Catherine-Marie Koffnit: Die freien Wochen nutzen wir für die Dinge, für die wir keine Zeit hatten, als wir noch gearbeitet haben, und das ist zum Teil wirklich einfach leben. Dinge, die man seit Jahren aufgeschoben hat: Spanisch lernen, die Golfplatzreife erreichen.
Svenja: Würdet ihr sagen, dass ihr in der freien Woche denn trotzdem richtig abschalten könnt?
Beide: Ja!
Carola Garbe: Ich mache den Rechner Dienstag bis Freitag nicht an. Wenn es wichtig wird, schreibt Catherine mir eine SMS. Das hat sich aber auch erst entwickelt. die ersten drei bis vier Monate war das extrem anstrengend, auch das abendliche „Tagesschau“ schreiben. Aber wenn beide richtig drin sind in den Abläufen, ist man so eingespielt, dass das dann kein Thema mehr ist.
Catherine-Marie Koffnit: Man muss natürlich auch dazu sagen, das dieses Loslassen und völlige Abschalten auch nur funktioniert, weil wir als Tandem so harmonisch sind. Wir können uns zu 100 Prozent auf die Andere verlassen und ich muss bspw. nicht am Freitag meiner Arbeitswoche alles fertig abgearbeitet haben, weil ich nächste Woche nicht da bin. Nein, es ist ja jemand da und die Aufgaben werden fertiggestellt oder nachgesteuert. Wenn man sich so verlassen kann, kann man wiederum auch komplett abschalten.
Carola Garbe: Ein wirklicher Mehrwert ist auch das Thema Urlaub. Dafür muss man in unserer Position normalerweise viel Vorarbeit leisten und wenn man wiederkommt – auch mit guter Assistenz – sind Dinge liegen geblieben. Das hat sich vollkommen erledigt. Ich kann fast drei Wochen in den Urlaub gehen, eine Freiwoche, eine Arbeitswoche und eine Freiwoche. Damit hat man quasi nur eine Woche gefehlt. Das ist so wenig! Man kann entspannt in den Urlaub gehen und kommt entspannt wieder. Für mich, die ja seit 15 Jahren in einer Führungsposition allein gearbeitet hat, ist das ein unglaublicher Mehrwert.
Svenja: Würdet ihr sagen, dass eure Übergabezeiten immer kürzer werden, ihr also mittlerweile auf einem sehr guten Effizienzlevel seid?
Catherine-Marie Koffnit: Wenn ich darüber nachdenke muss ich sagen, dass die zwei Stunden Übergabe bleiben, aber die fachlichen Themen weniger geworden sind. Darin sind wir effizienter geworden. Wir nutzen den freien Raum mittlerweile für strategische Themen, für die wir sonst vielleicht keine Zeit gehabt hätten. Das sind beispielsweise Ansätze zu bereichsübergreifender Zusammenarbeit, die Frage, wie wir Dinge bewegen können oder uns Konzepte zu überlegen.
Svenja: Was ist für euch der größte Gewinn seit Beginn des Jobsharing sowohl persönlich als auch für euren Arbeitgeber?
Catherine-Marie Koffnit: Für das Unternehmen ist es klar: Du hast zwei Führungskräfte auf einer Position, also geballte Skills, Softskills und Knowhow. 200 Prozent zum Preis von 120 Prozent. Und du hast zwei Führungskräfte, die sich gegenseitig Sparringspartner sind, Dinge reflektieren. Mit einem Team, das reflektierte Entscheidungen trifft, läuft ein Arbeitgeber weniger oder gar nicht Gefahr, dass jemand relativ selbstherrlich alleine entscheidet. Wir verändern und hinterfragen uns selbst, das ist viel wert. Privat ist es Freizeit und Erholung und dass du jede Woche wieder motiviert einsteigen kannst. Wir haben tatsächlich die vielzitierte Work-Life-Balance.
Carola Garbe: Man hat seinen eigenen Coach, und einen Sparringspartner den es in dieser Hierarchieebene sonst nicht mehr gibt. Da ist man sonst schnell allein mit Problemen.
Svenja: Gibt es auch etwas, das schwieriger läuft als erwartet?
Carola Garbe: Es ist schon erstaunlich in so einem Konzern, in dem man an IT-Systeme gebunden ist, dass die Systeme an ihre Grenzen stoßen, wenn sie Dinge auf zwei Leute aufteilen sollen. Die Systeme sind noch nicht so weit. Wir sind noch nicht komplett arbeitsfähig, ohne in dieser Hinsicht Kompromisse zu machen. Wir haben ein Single-Sign-on-System, da wir in der HR mit personenbezogenen Daten arbeiten. Es muss immer zweifelsfrei klar sein, wer Zugriff auf Dinge hat und das kann manchmal halt nur einer sein. Auch schwierig: Manchmal weht uns auch ein krasser Wind entgegen. Die meisten finden es toll was wir tun, aber einige stellen das auch infrage und sagen, es würde uns viel Zeit kosten.
Svenja: HR ist ja häufig Vorreiter, so auch beim Thema Jobsharing. Und häufig ist genau das auch Gegenargument: „Schön, dass das bei HR funktioniert, aber im Kerngeschäft ginge das nicht.“ Wie ist da eure Auffassung?
Carola Garbe: Ganz klar, das geht überall! Wenn man es gut organisiert, wenn der Chef es will und wenn das Konzept stimmt. Natürlich braucht es Mut, aber wir sind sicher, das ginge überall.
Deshalb bieten wir auch immer wieder ein New-Work-Frühstück mit anderen Jobsharern bei der DB an, auf dem wir Mitarbeiter beraten wollen, die interessiert sind, die aber nicht wissen, wie sie es angehen sollen. Es geht vor allem darum, das HR das Thema weiterträgt. Natürlich wollen wir auch sehen, ob wir damit den Konzern einen Schritt weiterbringen. Wir können es uns nicht leisten Menschen zu verlieren die ein anderes Lebenskonzept haben als Vollzeit zu arbeiten.
Svenja: Es gibt viele Unternehmen, die sich schwertun bei der Einführung von Jobsharing und es dann unterschätzen. Oft werden Unternehmenskultur und Mindsets unterschätzt. Wer jahrelang in Vollzeit Karriere gemacht und sein Privatleben daran angepasst hat, tut sich häufig oft besonders schwer, Jobsharing als Alternative anzunehmen, denn das stellt womöglich den eigenen Umgang mit dem Thema Job und Privatleben in Frage. Das geschieht dann häufig auf einer emotionalen Ebene. Wie sollte man mit dieser emotionalen Ebene umgehen, die oft hochgespült wird, wenn man Jobsharing einführen will?
Catherine-Marie Koffnit: Stichwörter, die mir dazu einfallen sind Offenheit und Ehrlichkeit. Ein grundlegendes Element ist das Thema Macht. Wenn ich jahrelang darauf fixiert bin und jetzt Macht abgeben muss, weil ich mir die Macht teile, muss ich genauso hinter den Entscheidungen des Tandempartners stehen, wie hinter meinen eigenen. Und auch wenn ich anders denke, diskutieren wir das unter uns, aber nicht mit anderen. Über diese emotionalen Themen muss ich offen und ehrlich sprechen und mir Gedanken machen. Und wenn ich das nicht kann, muss ich auch so offen sein und sagen, dann bin ich noch nicht so weit oder vielleicht auch gar nicht der Richtige für Jobsharing. Das sagen wir den Leuten auch ehrlich.
Carola Garbe: Genau. Und wir missionieren auch niemanden. Wir erzählen von uns. Für mich war es lange Zeit vollkommen normal viel und zeitliche lange zu arbeiten. „Das ist ebenso“. Die Familie hat oftmals das Nachsehen und das spürte ich im laufe der Zeit. Ich bin als Führungskraft vollständig anders sozialisiert, und es fiel mir am Anfang schwer die „Macht“ abzugeben oder nicht allein Entscheidungen zu treffen. Aber das ist genau der Mehrwert, darüber muss man sprechen können. Entscheidungen in Personalfragen unseres Teams treffen wir beispielsweise schon noch zusammen.
Catherine-Marie Koffnit: Ich hinterfrage oftmals die Idee, warum willst du bestimmte Entscheidungen so oder so treffen? Und dann diskutieren wir inhaltlich und entwickelt Dinge zusammen weiter. Zu diesem Prozess muss man bereit sein.
Carola Garbe: Dann entwickelt man sich auch mit 55 Jahren noch ein Stück weiter. Man ist ja in diese Position gekommen, weil man gut war. Denkt man zumindest. Schließlich kann man andere Sichtweisen relativ einfach ausblenden, wenn man alleine Chef ist. Sowas ist im Tandem aber gar nicht möglich.
Svenja: Ihr habt gesagt, dass die stetige Reflexion mehr Qualität in eure Arbeit bringt. Was wünscht ihr euch für die Zukunft für Jobsharing bei der Deutschen Bahn?
Carola Garbe: Wir wünschen uns, dass es mehr Paare gibt, die den Job teilen und dass das Thema strategisch begleitet wird.
Catherine-Marie Konffnit: Und das tatsächlich in den Stellenausschreibungen irgendwann standardmäßig nicht nur „in Teilzeit“, sondern auch „im Jobsharing“ möglich steht.
Carola Garbe: Was uns wichtig ist, ist zu verdeutlichen, das Jobsharing für uns eine neue Art des Arbeitens darstellt. Es geht darum, eine Organisation wie unsere mit dieser neuen Art von Arbeit zu konfrontieren. Wir nutzen unseren Bekanntheitsgrad dafür sehr stark und deshalb heißt unser Frühstück auch New-Work-Frühstück. Da wo es manchmal noch Diskussionen über die Erreichbarkeit von Mitarbeitern im Homeoffice gibt, ist Jobsharing noch etwas besonderes unter den HR-Themen.
Catherine-Marie Koffnit: Da hängt so viel mehr dran, für Unternehmen, Mitarbeiter, Familien. Das ist toll zu sehen. Wir lernen beide noch dazu und das begeistert uns nach wie vor. Jobsharing ist nicht nur ein Mütterthema. Es ist spannend für die Generation Z, es ist interessant für ausscheidende Führungskräfte, die einen umfassenden Wissenstransfer sicherstellen wollen. Es bietet so viele Möglichkeiten und Mehrwerte, die wir heute noch gar nicht absehen können.
Svenja: Vielen Dank für euren offenen Einblick in euer Jobsharing!
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